Ein Interview von
Boris Schneider-Johne, Jahrgang 1966, hat ab Mitte der Achtziger Jahre in diversen Computerzeitschriften und als Übersetzer diverser Computerspiele ins Deutsche die frühen Jahre der Gameskultur in Deutschland mitgestaltet.
Außerdem war er zehn Jahre lang als Produktmanager für die Markteinführung der Xbox, Xbox 360 und Kinect verantwortlich. Boris arbeitet immer noch bei Microsoft und macht dort seit einigen Jahren Business Development mit Partnerunternehmen für Cloud-Lösungen.
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Du bist ja nun schon einige Zeit in der Games-Branche, hast viele Trends kommen und gehen sehen. Zu den Anfangszeiten und heute: Was hat sich am positivsten verändert in der Branche, und was stört Dich an der heutigen Situation?
Positiv ist sicherlich, dass es heute viele technische Möglichkeiten gibt, Spiele zu entwickeln und damit besonders kreativ zu sein. Wir hatten eine „demokratische“ Phase in den Achtzigern, wo einzelne Personen am Heimcomputer Spiele entwickelten, dann aber Ende der Neunziger eine Zeit, in der der Markt bis auf Shareware auf PCs quasi abgeschlossen war. Heute können kreative Indies mit preiswerten Tools fantastische Spiele bauen und sogar selbst auf Konsole veröffentlichen.
Das große Grauen ist aber alles im Bereich Free-2-Play, Lootboxen und „additional content“. Früher gab es einen klaren Deal: Du gibst mir Geld X und bekommst Spiel Y. Das größte Geschäft findet aber heute mit Produkten statt, die dem User über psychologische Tricks das Geld für Tinnef aus der Tasche ziehen wollen. Das ist der wesentliche Grund, warum ich in der Branche nicht mehr arbeiten mag.
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Welche Key Learnings im Bereich Marketing können andere Branchen aus der Games-Branche ziehen?
Es kann funktionieren, ein Produkt zwei Jahre lang zu hypen, bevor es überhaupt auf den Markt kommt. Das ist vielleicht noch bei einigen wenigen Kinofilmen der Fall – aber kaum in einem anderen Marktsegment. Und natürlich ist es nicht universell übertragbar. Aber vielleicht gibt es Bereiche, wo man Leute wirklich lange auf ein Produkt einschwören kann, bevor es erscheint. Denn, traurigerweise, selbst wenn dann das Produkt gar nicht so toll ist, hat man dann Fans, die es für den Hersteller verteidigen.
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Wer sind Deine Vorbilder in der Branche? Gibt es da jemanden? Und wenn, warum?
Trip Hawkins und seine „Can a computer make you cry?“ Kampagne, bei der er die Designer der Spiele als Rockstars und Künstler dargestellt hat.
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Wie haben sich die Marketing-Maßnahmen und -Kanäle in den letzten Jahren gewandelt? Wo geht es hin im Bereich Games-Marketing?
Gibt es überhaupt noch Werbung für Spiele? Oder ist das alles nur noch „Influencer“? Ich bin da soooo raus.
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Welche Social-Media-Kanäle sind für Euch als Unternehmung im Fokus?
Ich kann hier nur als Privatperson sprechen und hab mich aus Social Media zurückgezogen.
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Stichwort Creator- und Influencer-Marketing: Der Trend zu mehr Micro- und Makro-Influencern mit geringerer Reichweite und weniger Fans, dafür aber mehr Authentizität und Engagement: Wie kann die Games-Branche davon profitieren aus Deiner Sicht?
Das ist doch ein Widerspruch in sich selbst: Wenn es authentisch sein soll, geht es nicht via Marketing. Marketing war noch niemals authentisch, zumindest nicht auf Seite der Produzenten, auch wenn Konsumenten das immer wieder glauben.
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Die Medienlandschaft hat sich in den letzten zehn Jahren massiv verändert. Immer noch ist aber PR eines der wichtigsten Kommunikations-Instrumente für den Bereich Games. Wo siehst Du die PR in den nächsten fünf Jahren, was werden die Herausforderungen?
Die Aufmerksamkeitsspanne der Konsumenten geht gegen Null, Medien sind austauschbar, es gibt einen Informations-Overload. Ich glaube, „Word of mouth“ und sozialer Druck sind der wesentliche Aspekt im Gaming. Was spielt meine Peergroup, wo muss ich mit dabei sein, um nichts zu verpassen? Hier gibt es natürlich im Bereich der Nicht-Handy-Spiele immer noch die Leitmedien, die aber online jeden Tag aufs Neue um ihre Leser kämpfen müssen, denn der Wechsel auf einen anderen Anbieter ist viel zu leicht – im Gegensatz zum Kündigen eines Abos. Ein wesentlicher Aspekt bleibt die PR über den Plattformanbieter selbst: Welchen Content bieten Xbox, Playstation und Switch in ihren kuratierten Stores?
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Bonusfrage: Auf welches Projekt / Thema in Deinem Job warst Du besonders stolz?
Die Xbox Live Wohnzimmertour (mit Grüßen an Sabine Reinhart). Wir haben diversen Studenten-WGs eine Woche Urlaub bezahlt und es uns dann in deren Wohnungen mit einer Handvoll Xboxen gemütlich gemacht und jeden Abend Journalisten und Influencer zu Pizza, Bier und Games eingeladen. Die most-laid-back PR-Tour ever. Ein paar Jahre später hab ich mit einem ähnlichen Konzept, der PC Life Tour in deutschen Einkaufszentren, bei Microsoft einen dicken Award gewonnen. Das Nachstellen und Aufwerten der echten Spielerfahrung bleibt ein großartiges Konzept. Miete dir für eine Rennspieldemo nicht den Nürburgring und Autos, sondern eine Studentenbude, aber setz Nico Rosberg da rein, der mit den Anwesenden zockt.
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