Ein Interview von
David Miller ist seit über 25 Jahre in der Videospielindustrie tätig. Den Anfang machte er im Bereich Marketing, als er Virgin, EA und Capcom bei der Veröffentlichung von AAA-Titeln für PC und Konsolen half. Danach nahm er einige unternehmerische Positionen in den Bereichen In-Game-Advertising, Mobile- und Cloud-Gaming ein.
Zurzeit arbeitet David als Head of Games von War Child, der internationalen Kinderhilfsorganisation, wo seine Aufgabe darin besteht, kreative innovative Partnerschaften mit Studios und Konsumenten aufzubauen, um Geld für den Schutz von Kinderrechten in Konfliktregionen einzusammeln.
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Du bist ja nun schon einige Zeit in der Games-Branche, hast viele Trends kommen und gehen sehen. Zu den Anfangszeiten und heute: Was hat sich am positivsten verändert in der Branche und was stört Dich an der heutigen Situation?
In meiner Zeit in der Branche habe ich unglaublich viele Veränderungen über alle Bereiche der Industrie hinweg erlebt: Digitaler Vertrieb, Influencer, Performance Marketing, Free-to-Play, Games as a Service… aber ein Trend, der mich bis heute fasziniert, ist der Wandel beim Entwicklungszyklus.
Die 90er wurden von einem Wachstum in den Bereichen Budget, Größe und Umfang geprägt, und infolgedessen wuchsen Entwicklerteams exponentiell (auch, um konkurrenzfähig zu bleiben). Dieser Trend setzte sich in den 00ern weiter fort, doch mit dem Aufstieg der Middleware-Plattformen und Entwicklerwerkzeugen, die durch digitalen Vertrieb gestärkt wurden, brachte die zweite Welle des Indie-Gaming eine neue Demokratie in den Bereich der Spieleentwicklung und öffnete Tür und Tor für aufstrebende Entwickler aus aller Welt.
Ich liebe es, dass jeder mit einer guten Idee und verhältnismäßig ordentlichen Fähigkeiten Videospiele entwickeln kann, mit denen sich Millionen von Menschen überall auf der Welt vergnügen können – sodass große Publisher und Plattformen auch nicht mehr die einzigen Gatekeeper der interaktiven Unterhaltung sind! Die Schattenseite davon ist eine geringere Sichtbarkeit, aber das ist nun mal der Preis dieser neuer Ära.
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Welche Key Learnings im Bereich Marketing können andere Branchen aus der Games-Branche ziehen?
Die Community in all ihren Formen. Die Beziehung zwischen Entwicklern und Fans oder Kunden ist im Gaming viel stärker als in allen anderen Formen von Unterhaltung, einschließlich Musik und Film. Videospielfirmen haben hier ausgezeichnete Arbeit geleistet, eine Verbindung mit ihren Fans aufzubauen. Das ist harte Arbeit, aber wenn man es richtig macht, wird man reichlich belohnt.
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Wer sind Deine Vorbilder in der Branche? Gibt es da jemanden? Und wenn, warum?
Ich hatte das große Glück, im Rahmen meiner Karriere viele hervorragende Vorgesetze zu haben. Meinen erste Durchbruch hatte ich in den 90ern, als ich mit Sean Brennan und Simon Jeffery bei Virgin arbeitete. Sean und Simon waren zwei perfekte Mentoren – besonders was Grips, Kreativität und Antrieb anbelangt.
Mein jetziger CEO ist ein großartiger Kerl namens Rob Williams. Er arbeitet seit über 25 Jahren für NGOs aus aller Welt und ist einer der nettesten, passioniertesten und inspirierendsten Menschen, mit denen ich jemals arbeiten durfte.
Zu guter Letzt muss ich meine Frau, die großartige Caroline Miller – Gründerin der (führenden) Kommunikationsagentur Indigo Pearl – ganz besonders hervorheben. Seit über 20 Jahren lebt Caroline nach den Werten ihrer Firma: „Work hard, be nice“. Sie ist eine Inspiration!
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Wie haben sich die Marketing-Maßnahmen und -Kanäle in den letzten Jahren gewandelt? Wo geht es hin im Bereich Games-Marketing?
Also, Influencer Marketing und die Möglichkeit des Erlebens von neuen Spielen sind die zwei offensichtlichen Paradigmenwechsel, besonders im Vergleich dazu, wie wir Videospiele vermarktet haben, als ich gerade anfing. Aber ich glaube auch, dass wir davon mittlerweile mehr als genug gehört haben!
Im Hinblick auf die Zukunft glaube ich, dass wir weiter darüber nachdenken müssen, wie neue Technologien unseren Alltag beeinflussen werden – und dabei meine ich neue Bildschirmtechnologien, das Internet der Dinge, selbstfahrende Autos und weitere Spitzentechnologien, von denen wir in den nächsten 10-20 Jahren stark beeinflusst sein werden. Unser Konsum von Videospielen und Inhalten an sich wird davon beeinflusst werden und der Schlüssel wird sein, unser Marketing anzupassen, um gegenwärtig – und relevant – für unsere Zielgruppen zu bleiben.
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Welche Social-Media-Kanäle sind für Euch als Unternehmung im Fokus?
Ich glaube, dass Twitter und Discord kurz- bis mittelfristig die dominanten Kanäle sein werden.
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Stichwort Creator- und Influencer-Marketing: Der Trend zu mehr Mikro- und Makro-Influencern mit geringerer Reichweite und weniger Fans, dafür aber mehr Authentizität und Engagement: Wie kann die Games-Branche davon profitieren aus Deiner Sicht?
Das ist eine große Herausforderung. Die Sieger werden jedenfalls diejenigen sein, die Zugriff auf die richtigen Experten, Tools sowie das entsprechende Budget haben.
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Die Medienlandschaft hat sich in den letzten zehn Jahren massiv verändert. Immer noch ist aber PR eines der wichtigsten Kommunikations-Instrumente für den Bereich Games. Wo siehst Du die PR in den nächsten fünf Jahren, was werden die Herausforderungen?
PR hat sich unglaublich stark verändert, aber sie ist immer noch der Schlüssel zu einem erfolgreichen Launch. Konsumenten sind smart und kennen den Unterschied zwischen paid, owned und earned. Für PR-Profis wird es weiterhin die Herausforderung sein, in allen Bereichen des Kommunikationszyklus und über alle Kanäle hinweg authentisch zu bleiben.
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Auf welches Projekt / Thema in Deinem Job warst Du besonders stolz?
Ganz ehrlich: mein jetziger Job. Mit der Videospielindustrie zusammenzuarbeiten, um Geld für Kinder in Kriegsgebieten zu sammeln – das ist nicht nur der beste Job, den ich jemals hatte, sondern auch derjenige, auf den ich am stolzesten bin. Ich habe Videospiele mit mehreren Millionen verkauften Einheiten veröffentlicht und mit den größten und besten Studios und Publishern zusammengearbeitet, aber jetzt kann ich mit Leuten wie Rob und den anderen großartigen Menschen bei War Child arbeiten – und das ist das Größte.
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