Ein Interview von
Unternehmer und Gründer Hendrik Lesser ist der CEO des internationalen Produktionshauses remote control productions. Seit er vor über 20 Jahren in der Branche Fuß fasste, hat er eine Familie aus unabhängigen Entwicklerstudios in Europa und darüber hinaus aufgebaut, die heute aus 11 Teams in vier Ländern mit über 250 leidenschaftlichen Spielemachern besteht. Neben seinen kaufmännischen Rollen ist er ein passionierter Botschafter und Dozent, um Spiele als Kulturgut voranzubringen, z.B. durch seine Positionen als Präsident der „European Games Developer Federation“ (EGDF) oder als Geschäftsführer und Vorstandsmitglied für den Verein der bayerischen Spieleindustrie „Games Bavaria Munich e.V.“ (GBM).
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Du bist ja nun schon einige Zeit in der Games-Branche, hast viele Trends kommen und gehen sehen. Zu den Anfangszeiten und heute: Was hat sich am positivsten verändert in der Branche und was stört Dich an der heutigen Situation?
Die Branche ist deutlich diverser – an Menschen, Firmen, welche Länder eine Rolle spielen, Business-Modellen und dem Content selbst. Das ist super. Was mich aktuell stört, ist wie schnell und oft wieder eine neue Sau durchs Dorf getrieben werden muss. Aktuell NFT, davor VR, Esport etc. Das ist teils schon ok und gut, aber ab und an auch albern und bringt negative Sideeffects mit sich (wie unhappy Investoren zum Beispiel).
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Welche Key Learnings im Bereich Marketing können andere Branchen aus der Games-Branche ziehen?
Denk nicht mehr allein als Marketer, sondern als Community-Builder. Gaming hat das deutlich früher gecheckt als die meisten anderen, dass loyale Kunden auch miteinander und mit dir kommunizieren wollen und ein gemeinsames Narrativ/Experience schaffen. Ob am Spiel durch Early Access „mitzuwirken“ mit Input und Feedback – oder im Game selbst oder als User-Generated-Content-Macher etc.
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Wer sind Deine Vorbilder in der Branche? Gibt es da jemanden? Und wenn, warum?
Ich fand Richard Garriot als Lord British cool als ich kleiner war. Das wollte ich auch: im Game selbst stattzufinden. Jetzt kenne ich ihn schon eine Weile und bin älter geworden. Aber Spaß beiseite, es gibt sehr wenige Vorbilder im Gaming für mich, da wir immer noch diese Industrie aufbauen und ich da auf ganz andere Vorbilder aus der Geschichte schaue, oder eben das Beste aus mir selbst herausholen will – ich halte mir also meine „best version of myself“ vor die Nase.
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Wie haben sich die Marketing-Maßnahmen und -Kanäle in den letzten Jahren gewandelt? Wo geht es hin im Bereich Games-Marketing?
Gaming ist inzwischen überall. Ob ein GTA/CoD etc., die ganze Hauswände plakatieren oder eben Indie-Games, die schnell und gewitzt Discord betreiben, Fall Guys, die mit einem Community-Twitter-Dude deutlich nach vorne kamen oder Mobile Games, die bei Performance-Marketing Milliarden ausgeben. Basierend auf deinem Budget und deiner Target Audience geht’s also von Punkrock bis hin zu „Ich sehe Red Dead Redemption 2 überall“. Das Marketing wird sicher auch noch diverser und noch gezielter werden.
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Welche Social-Media-Kanäle sind für Euch als Unternehmung im Fokus?
Facebook und LinkedIn besonders für Employer Branding, bisschen Instagram für „ich weiß gar nicht so genau“ und TikTok wenn ich kein echtes Budget habe für einen Release. Twitter ist für bestimmte Themen sinnvoll, aber meist für Releases nicht so sehr.
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Stichwort Creator- und Influencer-Marketing: Der Trend zu mehr Micro- und Macro-Influencern mit geringerer Reichweite und weniger Fans, dafür aber mehr Authentizität und Engagement: Wie kann die Games-Branche davon profitieren aus Deiner Sicht?
Die meisten können sich die großen Influencer nicht mal im Ansatz leisten, oder wollen besonders das Risiko nicht eingehen. Micro-Influencer sind hier eine sehr gute Alternative. Deutlich günstiger und meist auch ansprechbarer für Content und potenziell nachhaltigere Partnerschaften. Idealerweise wächst der Influencer mit dir und deinem Game.
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Die Medienlandschaft hat sich in den letzten zehn Jahren massiv verändert. Immer noch ist aber PR eines der wichtigsten Kommunikations-Instrumente für den Bereich Games. Wo siehst Du die PR in den nächsten fünf Jahren, was werden die Herausforderungen?
Im Gaming ist klassische PR aus meiner Sicht inzwischen mehr oder weniger irrelevant geworden. Das ist schon eine ganze Weile so. Ich denke, PR geht hier mit der Zeit und erstellt eher Content, der dann „social“ verteilt wird. Oder geht auf Nischen und Special Interest – nur in den seltensten Fällen kann man Erfolg am Markt noch auf PR zurückführen. Das hat auch viel mit verlorengegangenem Vertrauen zu tun. Ein bisschen anders ist es bei speziellen Nischen. Wenn ich hier eine sehr zielgerichtete PR mache, am besten mit den Outlets zusammenarbeite, dann kann man schon was erreichen.
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Auf welches Projekt / Thema in Deinem Job warst Du besonders stolz?
Für GTA 3 und Max Payne eine USK-16-Wertung zu bekommen als Praktikant bei Take2. Das war schon besonders geil. Und dann ein paar Jahre später aus gewisser Langeweile mit Ascaron einen Multi-Project-Deal zu machen und als Producer damit Sacred zu einer weltweiten Marke mit aufgebaut zu haben. Ohne meine Initiative wäre das einfach nicht passiert. In dem Fall habe ich gelernt, dass manche Dinge eben nicht ohne dich passieren. Und dann mit meiner eigenen Firma Angry Birds Epic zu machen. Game Design war komplett von uns und wir wollten daraus ein Fantasy-Game machen, bis Rovio anrief und meinte: ‚Bad News ist, wir wollen das so nicht machen – Good News: Würdet ihr euer spiel mit unserer IP machen?‘. Das war natürlich eine Möglichkeit, die wir sofort ergriffen haben und 120 Millionen Downloads und sehr zufriedene Partner, Spieler und Mitarbeiter später war klar, dass ich wohl das mit beste Spiel meiner Karriere produziert hatte.
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