Ein Interview von
Ingo Horn begann seine Karriere 1992 als lokaler Zeitungsredakteur, bevor er nach seiner Bundeswehrzeit 1995 als Redakteur der Power Play beim Magna Media Verlag in München anheuerte, um danach „auf die Dunkle Seite der Industrie“ zu wechseln und seit 1997 unter anderem für Bomico/Infogrames, Interplay, Virgin Interactive, Westka Interactive, Travian Games als PRler agierte.
Seit 2013 bekleidet er verschiedene Positionen in der Kommunikation von Wargaming und leitet derzeit als Communication Director Europe ein Team aus Remote-PR-Managern in ganz Europa. Von 2013-2016 war er Gründer und Vorsitzender des Gaming-Aid e.V. und steht heute dem gemeinnützig anerkannten Verein Letsplay4Charity e.V. als Vorsitzender vor. 2016 wurde er in die Hall of Fame beim Deutschen Entwicklerpreis aufgenommen und erhielt 2020 die Verdienstmedaille der Bundesrepublik Deutschland – im Volksmund auch als Bundesverdienstkreuz bezeichnet.
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Du bist ja nun schon einige Zeit in der Games-Branche, hast viele Trends kommen und gehen sehen. Zu den Anfangszeiten und heute: Was hat sich am positivsten verändert in der Branche und was stört Dich an der heutigen Situation?
Der Umstand, dass sich die Branche professionalisiert hat, ist natürlich auf so vielen Ebenen einerseits sehr positiv zu bewerten, hat aber auch seine Schattenseiten. Positiv entwickelt haben sich sicherlich die Themen Förderung, gesellschaftliche Akzeptanz, gezielte Ausbildung, oder auch das Geschäftsgebaren bei knallharten aber zumeist fairen Verhandlungen.
Andererseits ist viel von der Spontaneität und auch sympathischen Blauäugigkeit der Anfangstage dem durchexerzierten Planen gewichen, was vor allem die Kreativität in vielen Punkten beschneiden kann, wenn ein Projekt aufgrund von KPI, USPs oder anderen Prognosen schon im Keim erstickt wird, da es unter Umständen nicht in die Gewinnmarge kommen könnte. Dank gestiegener Kosten sind da Herzensprojekte nicht mehr in der Form von einem kleinen Team realisierbar, so wie es früher doch häufiger der Fall war – was man auch an der sinkenden Anzahl von Innovationen oder „One-Man-Products“ sieht und stattdessen das X-te Sequel des gleichen Allerlei im Herbst auf den Markt kommen sieht.
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Welche Key Learnings im Bereich Marketing können andere Branchen aus der Games-Branche ziehen?
Selbst mit einem kleinen Team ist man dank Kreativität immer noch in der Lage, eine breite Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und muss nicht zwingend immer dem Mainstream folgen. Der Indie-Markt zeigt immer öfter, wie vermeintlich kleine und kostengünstige Produkte es mit den AAA-Titeln auch im Marketing aufnehmen können, wenn es um die Gunst der Spieler und somit auch das Erreichen von Abverkaufszahlen geht – vor allem, wenn diese von etablierten Dickschiffen (Publishern) abgelehnt werden und somit nicht durch Feuerwerk aus Marketingexperten betreut werden können.
So hat es mit Wargaming und World of Tanks schließlich auch angefangen, da der Titel von vielen Publishern als „nicht realisierbar und wenig erfolgsversprechend“ abgelehnt wurde, bis es die Macher selbst in die Hand genommen haben, vertrauenswürdiges Marketing auf die Zielgruppe zugeschnitten zu betreiben, was der Schlüssel zum Erfolg war und wir inzwischen 5.500 Mitarbeiter auf der ganzen Welt beschäftigen können, die sich um 200 Millionen Spieler weltweit kümmern.
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Wer sind Deine Vorbilder in der Branche? Gibt es da jemanden? Und wenn, warum?
Mit annähernd 50 Lenzen schaut man gerne dem vermeintlich unbedarften und mitunter noch idealistisch getriebenem Nachwuchs über die Schulter und ist von der Kreativität und Geschwindigkeit bzw. dem Multitasking häufig überrascht. Gerade in Sachen Social Media machen ein paar Jahrzehnte einen Unterschied, da die jüngeren Semester Trends durch ihr Netzwerk (Freunde und Bekannte) schon von Kindesbeinen erlebt haben und entsprechend früher kommen (und gehen) sehen.
Mit traumwandlerischer Sicherheit wird gleichzeitig auf TikTok, Instagram und Co. gehashtagged, während ein Stream simultan auf YouTube, Twitch, Facebook und Co. gehosted wird, zu denen dann passende Tweets und Stories geshared werden. Ob diese Rastlosigkeit allerdings langfristig Bestand haben wird, überlasse ich den nachkommenden Generationen von Marketern und schaue es mir dann vom Ruhestand aus mit der notwendigen Gelassenheit an.
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Wie haben sich die Marketing-Maßnahmen und -Kanäle in den letzten Jahren gewandelt? Wo geht es hin im Bereich Games-Marketing?
Wenn ich eines in den inzwischen 28 Jahren Games-Branche gelernt habe, dann das: Stillstand herrscht nie! Jedoch sind viele Trends von heute nicht unbedingt gekommen, um zu bleiben – so wie sich vieles von allein im Laufe der Zeit überholt. Die Geschwindigkeit jedoch hat sich drastisch erhöht. Dank Internet und Social Media sind Vermarktungen noch zielgerichteter möglich und hier liegt garantiert auch noch der Spielraum für die Zukunft.
Zielgerichtetes Onlinemarketing basierend auf Daten, zugeschnittene Kampagnen auf dedizierte Altersgruppen bzw. Fanbases, während klassische Marketingkanäle wie Printanzeigen nur noch als schmückende Garnitur beim Marketingmix dienen. Kreativität bleibt dabei der Schlüssel zum Erfolg, da freche oder beeindruckende Kampagnen auch ohne riesiges Werbebudget geteilt, kommentiert und sogar diskutiert werden. Nur ist die Planbarkeit von viralen Erfolgen immer schwerer zu realisieren und hängt oftmals von zu vielen Faktoren ab, die nur höchst selten alle berücksichtigt werden können.
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Welche Social-Media-Kanäle sind für Euch als Unternehmung im Fokus?
Hier muss man zwischen meiner ehrenamtlichen Arbeit bei Letsplay4charity e.V. und meinem Beruf als Communication Director Europe bei Wargaming unterscheiden. Während Charity grundsätzlich vom Freiwilligen-Netzwerk und den Unterstützern (qua Spendern und Pro Bono-Streamern) lebt, weil wir natürlich kein Geld für Werbung bzw. Mitarbeit ausgeben, sondern auf das „gemeinsam stark“-Feature und Viralität setzen.
Dem Gegenüber sind kostenlose F2P-Spiele vor allem auf die Community zugeschnitten. Dadurch haben Influencer-Kampagnen einen hohen Stellenwert, Meinungsbildung aus der Community (dies nennen wir Community Contributoren), auf die Altersgruppen (Ü30) zugeschnittenes Advertising oder klassische PR-Arbeit mit Medienkontakten, sowie thematisch zu unserem Produktportfolio passende Kooperationen mit Museen – alles muss durchgeplant werden und sich in den Produkten durch Qualität und Kreativität widerspiegeln.
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Stichwort Creator- und Influencer-Marketing: Der Trend zu mehr Micro- und Macro-Influencern mit geringerer Reichweite und weniger Fans, dafür aber mehr Authentizität und Engagement: Wie kann die Games-Branche davon profitieren aus Deiner Sicht?
Wargaming macht dies bereits seit Jahren sehr erfolgreich, da wir ein sehr spezielles Gaming-Publikum mit unseren Produkten World of Tanks oder World of Warships haben – älter und weniger sprunghaft und somit langjährig und treu. Als sogenannte CCs (Community Contributoren) informieren ausgewählte Influencer mit teilweise exklusiven Wargaming-Produktkanälen global in den jeweiligen Landessprachen frühzeitig über Änderungen und Ergänzungen im Spiel – teilweise schon auf den Supertestservern lange vor dem Release.
So wird der Spielefan vertrauensvoll an Änderungen herangeführt, die von professioneller Seite und unabhängig kommuniziert werden, da sie nicht durch eine Kampagne mit reichweitenstarken YouTubern finanziert ist, mit dazugehörenden komplettem Skript und abgestimmtem Messaging.
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Die Medienlandschaft hat sich in den letzten zehn Jahren massiv verändert. Immer noch ist aber PR eines der wichtigsten Kommunikations-Instrumente für den Bereich Games. Wo siehst Du die PR in den nächsten fünf Jahren, was werden die Herausforderungen?
PR ist gekommen, um zu bleiben – aber wie auch zuvor unterliegt die PR ständigen Veränderungen. Für mich ist PR als Veteran inzwischen eher Personal Relations, weil ich auf eine jahrelange vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den wichtigen Entscheidern in Redaktionen, Medienhäusern und Sendeanstalten zurückblicken kann. Ein Großteil meines Tagewerkes ist daher die Gewährleistung von getimter Kommunikation über alle Kanäle hinweg und deren Synchronisierung. Ob nun zwischen den Ländern bzw. Kontinenten oder in Synchronisation mit anderen Abteilungen hinweg.
Schlüssel für PR von heute ist es zwischen den unterschiedlichen Publikationskanälen zu vermitteln. Es ist wichtig, wie ein Uhrwerk synchron zu laufen oder zumindest wie Zahnräder gut ineinander zu greifen – je nach Bedarf z.B. auf den eigenen Social-Media-Kanälen, externen Medien, Foren, Webseiten, gebuchten Kampagnenplätzen, Influencer-Kanälen und so weiter.
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Auf welches Projekt / Thema in Deinem Job warst Du besonders stolz?
Unerreichbar aus heutiger Sicht ist mein persönlicher Rekord an Printcovern für einen einzigen Titel, den ich mit Dino Crisis als PR-Manager von Virgin Interactive für DACH erreichen konnte, als Spielemagazine quasi auf ihrem Höhepunkt waren in Punkto Auflage und Anzahl. Ganze 13 Titelbilder zierten in nur sechs Monaten Arbeit meine private Wall of Fame, was für einen PlayStation-exklusiven Titel aus heutiger Sicht nur sehr schwer zu erreichen ist.
Heutzutage zehre ich jedoch von den fast täglichen Glücksmomenten, wenn karitatives Engagement Früchte trägt und unser gemeinnützig anerkannter Verein Letsplay4Charity e.V. ein neues Mitglied begrüßen darf (Werbung: zu finden unter www.letsplay4charity.com), ein Influencer seine Unterstützung zugesagt hat (jeder darf mitmachen) oder wir auf einem Event (hoffentlich bald wieder) für den guten Zweck den virtuellen Klingelbeutel herumreichen dürfen, um gemeinsam Gutes tun zu können. Gerade in Zeiten der Pandemie ist es in meinen Augen so wichtig, denen unter die Arme zu greifen, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen und denen es nicht so gut geht.
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