Ein Interview von
Leya Jankowski ist seit Februar 2021 die Chefredakteurin von MeinMMO, Deutschlands führender Multiplayer-Seite. Ende 2016 startete sie während ihres Marketing-Studiums an der Stenden University in der Niederlande als freie Autorin bei MeinMMO und verfasste Artikel zu relevanten Spielen. Das war ihr Einstieg in den Spielejournalismus. 2019 wurde ihr bei MeinMMO eine Festanstellung als Brand Managerin angeboten. Dort übernahm sie unter anderem Aufgaben in den Bereichen Content-Planung, Projektmanagement, Teamführung und Brand Awareness.
Als Chefredakteurin leitet Leya nun eine Redaktion aus sechs Festangestellten sowie diversen freien Autorinnen und Autoren. Sie ist die Ansprechpartnerin für Inhalte und für die Content-Strategie der Seite verantwortlich. Dazu gehört ein Podcast, den MeinMMO letztes Jahr ins Leben gerufen hat und der Multiplayer-Expertise nun auch für die Ohren bietet.
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Du bist ja nun schon einige Zeit in der Games-Branche, hast viele Trends kommen und gehen sehen. Zu den Anfangszeiten und heute: Was hat sich am positivsten verändert in der Branche und was stört Dich an der heutigen Situation?
Im Spielejournalismus sind wir nur bedingt Teil der Games-Branche. Primär berichten wir über die Branche und ihre Spiele. Dabei müssen wir heute viel journalistischer arbeiten als es noch zu Beginn der ersten Spielemagazine der Fall war. Das ist für mich eine positive Veränderung.
Früher war es wichtig, dass die Was- und Wann-Fragen beantwortet wurden. Was ist das für ein neues Spiel und wann kommt es? Sobald erste Testmuster zur Verfügung standen, war natürlich noch die Wie-Frage wichtig. Wie ist das Spiel? Diese Fragen sind heute noch genauso wichtig, aber mittlerweile ist umso bedeutender, das komplette Spektrum der W-Fragen abzubilden.
Die reinen, nackten Infos holen sich Spieler und Spielerinnen da draußen im Internet über so viele verschiedene Kanäle. Publisher sind viel besser darin geworden, ihre Infos über Social-Media-Kanäle zu verbreiten oder in ihren eigenen Launchern. Diese Infos landen binnen eines Herzschlags bei Reddit, Discord oder sonstigen Foren. Im Stream auf Twitch oder auf YouTube kann man sich bequem selbst einen Eindruck zu einem Spiel und seinem Gameplay verschaffen.
Wofür braucht man uns jetzt eigentlich noch? Vor allem zum Einordnen der nackten Infos. Heute besteht ein großer Teil unserer Berichterstattung etwa daraus, zu erklären, warum ein bestimmtes Spiel gut oder schlecht ankommt, wie ein Spiele-Hype auf Twitch entstand, weshalb plötzlich alle nur noch mit einer bestimmten Waffe in deinem Lieblingsspiel herumlaufen. Außerdem werden gesellschaftliche Themen immer relevanter für Spiele, die wir behandeln und weiter einordnen. Sei es nun die aktuelle Sexismus-Klage gegen Activision Blizzard oder die Bewegung, mehr Diversität in Spiele zu bringen.
Was mich an der heutigen Situation am meisten stört, ist der Hass, der sich leider zu oft in (a-)sozialen Medien ausbreitet. Wenn Entwickler und Entwicklerinnen Morddrohungen auf Twitter erhalten, weil den Leuten ein bestimmter Inhalt im Spiel nicht gefällt, werde ich wütend und traurig. Das Problem betrifft aber nicht nur exklusiv die Games-Branche.
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Welche Key Learnings im Bereich Marketing können andere Branchen aus der Games-Branche ziehen?
Aus meiner Sicht ist die Games-Branche unbeschreiblich gut darin, starke Communitys um ihre Produkte zu bilden. Das ist natürlich auch der Sache geschuldet, dass Videospiele für viele von uns mit Leidenschaft verbunden sind. Spiele sind als Medium so stark, weil wir aktiv beteiligt sind, das Handeln steuern und immersiv hineinsinken können wie in kein anderes Medium. Das macht etwas mit uns. Im Fall von Multiplayer-Spielen erleben wir das Medium noch mit anderen, wodurch wir Bande knüpfen und gemeinsam Erinnerungen schaffen.
Wer durch und durch Fan eines Spiels ist, wird dieses bis aufs Blut verteidigen. Oder natürlich auch passioniert drüber schimpfen, was durchaus einen Einfluss auf die Entwicklung eines Spiels nehmen kann. Auf jeden Fall wird lautstark darüber gesprochen, Informationen gestreut. Versucht das mal bei anderen Produkten in der Form zu finden.
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Wer sind Deine Vorbilder in der Branche? Gibt es da jemanden? Und wenn, warum?
Nicht direkt ein persönliches Vorbild, aber jemand, den ich für seine Leistung im Gaming-Journalismus sehr respektiere, ist Jason Schreier. Er ist bekannt für Insider-Reports, die darüber berichten, unter welchen Bedingungen Spiele entstehen. Die Berichte über Crunch, Ausbeutung oder Sexismus in Spielefirmen werden zu großen Teilen von ihm gesteuert. Dafür hat er sich einen Namen gemacht als Person, zu der man geht, wenn man anonym über Missstände reden möchte.
Wenn wir im Marketing-Jargon bleiben wollen, konnte er dadurch eine Brand um sich bilden. Wer sich mit der Games-Branche beschäftigt, kennt seinen Namen und seine Arbeit, was für einen Gaming-Journalisten schon beachtlich ist. Er verfolgt aus meiner Sicht jedoch auch ein bestimmtes Narrativ, weshalb man die Berichterstattung durchaus zwiegespalten sehen kann. Ich halte seine Berichterstattung trotzdem für gesellschaftlich relevant und auch wichtig.
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Wie haben sich die Marketing-Maßnahmen und -Kanäle in den letzten Jahren gewandelt? Wo geht es hin im Bereich Games-Marketing?
Twitch gibt den Ton an. Wir erkennen mittlerweile am schnellsten an Twitch, welche Spiele in den nächsten Wochen in aller Munde sein werden und welche nicht. Da wir Twitch bei MeinMMO so eng verfolgen, waren wir mit die ersten, die etwa über Spiele wie Rust berichtet haben, bevor den meisten klar war, dass sich ein Hype entwickelt.
Spiele, die erfolgreich auf Twitch sind, begünstigen in der Regel Dinge, die starke Reaktionen und Emotionen bei Streamern und Streamerinnen auslösen. Möglichkeiten zur Interaktion mit anderen wie bei Among Us oder Valheim sind ebenso von Bedeutung, da sich diese perfekt zur Cross-Promo mit anderen Streamern und Streamerinnen eignet. Das kann für schnelle Reichweiten-Boosts sorgen. Viele Studios denken Twitch und Streaming mittlerweile bereits in der Entwicklung mit.
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Welche Social-Media-Kanäle sind für Euch als Unternehmung im Fokus?
Wir folgen natürlich den offiziellen Kanälen der Publisher, da wir hier auch einiges an Infos holen. Branchen-Kenner wie Daniel Ahmad sind gute Anlaufstellen, um ein tieferes Verständnis der Branche zu bekommen.
Andere Gaming-Portale sind wichtig, um sich inspirieren zu lassen oder News zu erhalten. Wir folgen einzelnen Gaming-Persönlichkeiten, die man von YouTube oder Twitch kennt, da wir über sie als verlängerten Arm der Communitys berichten.
Besonders spannend sind für uns Foren wie Reddit oder Kommentarspalten, um zu sehen, womit sich Spieler und Spielerinnen aktuell beschäftigen und worüber sie reden.
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Stichwort Creator- und Influencer-Marketing: Der Trend zu mehr Mikro- und Makro-Influencern mit geringerer Reichweite und weniger Fans, dafür aber mehr Authentizität und Engagement: Wie kann die Games-Branche davon profitieren aus Deiner Sicht?
Aus meiner Sicht macht die Games-Branche das schon ziemlich gut. Zu großen Blockbuster-Titeln folge ich den sichtbaren Marketing-Kampagnen in der Regel, da mich persönlich die Marketing-Strategien interessieren. Hier beobachte ich einen gesunden Mix aus Reichweite und kleineren Influencern und Influencerinnen, die für bestimmte Spiele-Genres bekannt sind.
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Die Medienlandschaft hat sich in den letzten zehn Jahren massiv verändert. Immer noch ist aber PR eines der wichtigsten Kommunikations-Instrumente für den Bereich Games. Wo siehst Du die PR in den nächsten fünf Jahren, was werden die Herausforderungen?
Mit der Rolle der PR habe ich mich ehrlich gesagt in der Form nicht viel auseinandergesetzt und kann die Frage nicht beantworten.
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Auf welches Projekt / Thema in Deinem Job warst Du besonders stolz?
Als gerade die Pandemie begann und klar wurde, dass es erstmal keine physischen Events geben kann, war die E3 natürlich auch erstmal vom Tisch. Die Leute waren gerade aber zu Hause und konnten teilweise nichts anderes machen als spielen. Die Leute waren vor allem durstig nach Spieleempfehlungen, weil sie nun so viel Zeit zum Spielen hatten.
Mit der Webedia Gaming, zu der MeinMMO, GamePro und GameStar gehören, starteten wir kurzerhand ein eigenes, digitales Event namens “Find Your Next Game”. Das war für uns ein riesiges, übergreifendes Projekt, wozu ein Event-Stream, Videos, massiv Artikel, Interviews und Previews fielen.
Das Event kam so gut an, dass wir das jetzt als regelmäßiges Format mit unseren Gaming-Marken durchführen. Ich bin extrem stolz darauf, dass wir Spielern und Spielerinnen eine Alternative bieten konnten und einfach das Beste aus unserer Situation gemacht haben.
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