Ein Interview von
Frank ist mit über 30 Jahren Erfahrung auf den Gebieten Retail, Partner, Solutions und Cloud Transformation im Bereich Sales und Marketing eine erfahrene Führungskraft der IT-Industrie. Zurzeit ist er als Commercial Device and Cloud Transformation Lead für Microsofts Geschäftspartner DELL Technologies im Wirtschaftsraum EMEA tätig.
Die beiden Unternehmen haben sich 2007 kennengelernt und im Laufe der Jahre gemeinsame POS-Projekte wie die Xbox 360 Gaming Islands und Konzepte für den PC-POS entwickelt sowie mehrere Produktveröffentlichungen wie Windows 7, Windows 10, Surface oder Office/Microsoft 365 Commerce unterstützt. Währenddessen haben beide Unternehmen gemeinsame Erfahrungen im Online- und lokalen Handel gemacht. Frank ist ein anerkannter Experte mit einem breiten Netzwerk an Partnern in den Bereichen Retail und Industrie.
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Du bist schon länger im Bereich Sales tätig und hast viele Trends kommen und gehen sehen. Wenn du auf den Anfang deiner Karriere und die Situation heutzutage schaust: Was hat sich am positivsten im Handel getan, was muss in den nächsten Jahren passieren, damit der Handel weiterhin Erfolg hat?
Dank bedeutender Entwicklungen in den Bereichen Gaming und Konsolen sowie Streaming-Services und Abo-Modellen hat Gaming seinen Einzug in die Wohnzimmer der Welt gefunden. Die Videospielbranche hat sich stetig zu einem milliardenschweren Markt entwickelt und konnte sich im Jahre 2020 noch vor der Musik- und Filmbranche fangen. Ein weiterer wichtiger Aspekt in der positiven Entwicklung der Videospielbranche sind die „wahren Fans“ und die Spieleplattformen, die speziell für diese Zielgruppe entwickelt wurden. Damit wird das Zusammenspiel aus Aktion, Reaktion und Belohnung perfektioniert und eine starke Bindung des Konsumenten sowie eine Erweiterung der Anhängerschaft erzielt.
Eine der größten Veränderungen in den letzten Jahren beobachte ich zurzeit beim Kaufverhalten – weg vom klassischen POS hin zu einer hybriden und elektronischen Welt des Einzelhandels. Heute müssen Händler ihre Waren online und offline mit neuen Technologien wie Virtual Reality und Augmented Reality präsentieren und gute Rezensionen sicherstellen, was für die Kaufentscheidung immer wichtiger wird. Händler müssen dazu in der Lage sein, schnell und agil zu reagieren und Konsumenten mit neuen, frischen Konzepten zu begeistern. Der traditionelle Einzelhandel muss seine Stärken bei der Beratung und online ausspielen sowie Konzepte zur Kundenbindung implementieren.
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Lass uns kurz über Brand Ambassadors sprechen: In der Vergangenheit waren Verkäufer:innen im Handel nicht die größten Expert:innen. Deshalb haben viele führende Unternehmen sich auf Brand Ambassadors in den Läden verlassen, die vor Ort in den Läden tätig waren – zumindest vor Covid-19. Wie sieht deiner Meinung nach die Zukunft von Brand Ambassadors aus?
Radio- und Fernsehwerbung war lange Zeit schwer in Mode. Es war ein guter Ansatz für Vermarkter, um ihre Nachrichten präzise zu planen und Brand-Ambassadors zu nutzen. Aber die Wege, um verschiedene Zielgruppen zu erreichen, haben sich in den letzten Jahren dramatisch verändert. Influencer und Promis auf Social-Media-Kanälen wie YouTube, Instagram oder Twitter beeinflussen das Kaufverhalten ihrer Follower – bewusst oder unbewusst – genauso wie Brand-Ambassadors.
Industrie- und Einzelhandelsunternehmen täten gut daran, ihre Marken über ausgewählte Kanäle zu bewerben und Nachfrage so auch nach der COVID-19-Pandemie zu generieren. Es wird wichtig sein, zu analysieren, welche Kanäle die bevorzugten Adressaten nutzen und sich breit aufzustellen, da Konsumenten jetzt, wo sie die für sie relevanten Kanäle und Plattformen gefunden haben, es bevorzugen, eine Marke direkt zu kontaktieren und dort Informationen über sie zu erhalten. „Auf Wiedersehen, einseitige Kommunikation – willkommen, digitale Brand Ambassadors!“.
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Moderne Technologien ermöglichen eine echte Omnichannel-Erfahrung. Zum Beispiel kann man sich per AR die Produkte zuhause anschauen, einen Verkaufsberater:innen per Video-Call erreichen und die Produkte sehr zeitnah aus dem Laden um die Ecke nach Hause geliefert bekommen. Was denkst du über diese Möglichkeiten?
Ich sehe diese neuen Technologien als ideale Unterstützung für einen veränderten und neuen Ansatz beim Erreichen der Zielgruppen, der die Bedürfnisse unserer Konsumenten in einer Omnichannel-Welt optimal adressiert und schnell an veränderte Bedingungen wie die durch COVID-19 bedingte Situation angepasst werden kann. AR und VR erlauben es dem Konsumenten, das Einkaufsverhalten an die Stimmungslage und Lebenssituation von Konsumenten anzupassen. Und wenn diese zurzeit nicht in den Einzelhandel gehen wollen oder können, haben sie die Möglichkeit, dies über verschiedene Geräte wie Tablets oder Smartphones zu simulieren oder zusätzliche Produktinformationen oder Raumplanungen virtuell am POS zu erleben.
Ich sehe diese neuen Möglichkeiten als eine sehr nützliche Ergänzung der Customer Journey, die bei Kaufentscheidungen helfen und sicherlich einen positiven Effekt haben wird. VR und AR werden auch Produktentwicklungen, Interaktionen, Wertschöpfungsketten und Kostenstrukturen in Unternehmen positiv verändern, da wir etwa beim Beispiel der Microsoft HoloLens bereits einen nachhaltigen Effekt beobachten.
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Wird sich der physische Handel vom reinen „besten Preis“ zur „besten Erfahrung“ wandeln? Werden sich Läden in Markenerfahrungs-Center verwandeln? Wie siehst du diese Veränderungen, diese Evolution des Handels, voraus?
Ich denke, dass es schwer ist, so etwas vorauszusagen, da diese vermischte Erfahrung bereits begonnen hat. Der Preis ist immer noch eine wichtige Kaufentscheidung, obwohl Konsument:innen sicherlich auch dazu geneigt sind, die Empfehlung im Rahmen einer neuen Kauferfahrung zu einem gewissen Grad zu beachten. Die konventionellen Geschäfte wie Media Saturn oder Expert arbeiten bereits kontinuierlich daran, ihre digitale Online- und POS-Präsenz zu verbessern und E-Tailers wie Amazon oder Notebooksbilliger eröffnen (Pick-up-)Stores in Stadtzentren und bereichern sie damit um digitale Merchandise-Konzepte. Dieser Trend kann auch in anderen Industrien wie in der Mode oder bei Verbrauchsgütern beobachtet werden.
Ich denke, dass diese Veränderung und Konsolidierung bereits begonnen hat und nicht zu stoppen ist. Einzelhändler arbeiten bereits daran, zumindest einen Teil ihrer physischen Warenpräsenz anzupassen und um digitale Konzepte zu bereichern, da der erste Eindruck beim Einkaufserlebnis nach wie vor entscheidend für die Kaufentscheidung bleiben wird. Ich denke daher, dass neue Produktpräsentationen mit integrierten Apps oder POS Experience Islands entwickelt werden und sich Warengruppen mit „Basic-POS“ sowie erweiterten Online-Präsentationen gepaart mit Mixed-Reality-Digitalisierungskonzepten etablieren werden. Geschäfte, die sich durch neue Einkaufserlebnisse und gemischte Konzepten voneinander abheben und die Ware greifbar machen, haben eine Chance auf langfristigen Erfolg.
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Wie wirken sich deiner Meinung nach Social Media und Social Selling auf den stationären Handel aus?
Sehr stark, denke ich, weil Social-Media-Kanäle für viele Menschen ein wesentlicher Teil des alltäglichen Lebens geworden sind. Mehr als ein Drittel der Weltbevölkerung checkt Facebook, Twitter und Instagram – viele sogar mehrmals am Tag. Soziale Medien nehmen durch die ständig wachsende Anzahl an Nutzern und der Nutzungsdauer eine immer wichtiger werdende Rolle im Alltag vieler Menschen ein. Sie haben einen großen Einfluss auf den Prozess der Meinungsbildung und das Konsum- und Kaufverhalten von Zielgruppen.
Millennials legen etwa mehr Wert auf Kreativität und Community als auf Exklusivität und Status, weshalb Influencer, die auf Social-Media-Kanälen die Produkte oder Marken kreativ in ihr Storytelling einbinden, sehr viel mehr Einfluss auf das Kaufverhalten dieser Zielgruppe haben. Wenn sie Online-Bestellungen empfehlen, bestellt die Zielgruppe online; während das Kaufverhalten von Babyboomern oder Gen X & Y immer noch von klassischer Werbung wie Flyern und Fernsehen beeinflusst wird, was zahlreiche Studien belegen. Letztendlich ist die Kundenbindung essenziell für den Offline-Handel, und genau deswegen müssen Einzelhändler die komplette Bandbreite an Kundenansprachen nutzen und ihre Zielgruppen über den klassischen Kundenkreis hinaus erweitern.
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Denkst du, dass Verkaufsberater:innen per Video, oder gar virtuelle Chatbots, bei denen Konsumenten mit einem Roboter oder einem animierten Charakter sprechen können, eine Lösung für die Zukunft sein können?
Ich glaube, dass das Konzept der Live-Video-Beratung (über alle Branchen hinweg) langfristig Erfolg haben wird, weil es einfach und unkompliziert für den Konsumenten ist. Und wenn er keinen Gefallen daran findet, muss er das Haus auch nicht verlassen. Verschiedene Beratungskonzepte wie die Media Markt Live-Beratung oder der DocMorris Videoberater oder Liveberatungen im Gesundheitswesen – einschließlich des digitalen Doktors – beweisen das bereits.
Die Qualität der Beratung, der persönliche Ansatz und die Interaktion der Berater mit den Konsumenten werden entscheidend für den Erfolg sein, weshalb ich (noch) nicht an den Erfolg von Chatbots glaube, da KI noch nicht dazu in der Lage ist, diese Qualität in allen Bereich zu liefern. Und bisher bestehende Lösungen können erweitert werden.
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Service und Installationen werden wichtiger und wichtiger. So brauchen Verbraucher:innen zum Beispiel beim Kauf eines komplexen Smarthome-Setups nicht nur einen Installationsservice, um einen TV an die Wand zu hängen, sondern einen kompletten Setup-Service, der dafür sorgt, dass die Produkte verbunden, programmiert und 100% funktional sind. Warum bietet niemand diese Services an? Sollte der Handel oder die Hersteller dies anbieten? Würden die Konsument:innen dafür extra zahlen oder sollte es Teil der exzellenten Serviceerfahrung sein?
Die richtige Antwort ist, wie immer, dass es darauf ankommt… Auf Land, Produktwert, Kundenverhalten und ob der Konsument darin einen Nutzen und eine Lösung für seine Herausforderung, ein oder mehrere Smart Homes aufzubauen, sieht. Was bisher wirklich fehlt, denke ich, ist die Integration von neuen Technologien am POS, um die Komplexität bei der POS-Präsentation zu vereinfachen, sodass Einzelhändler das Thema Smart Home, das nicht einfach zu visualisieren ist, besser als bisher veranschaulichen können. Ich könnte mir bereits bessere Ansätze in Online-Präsentationen vorstellen und es gibt bereits Services, die sich um die technische Installation kümmern – hierzu sollte es bereits empirische Daten darüber geben, was Konsumenten bereit sind zu zahlen … Allerdings habe ich bisher noch keine wirklich interessanten Lösungen für Demonstrationen mit AR/VR- oder App-Integrationen gefunden – eine spannende Aufgabe für MSM.digital!
Ich sehe, dass Konsumenten in Europa bereit dazu sind, für guten Service zu zahlen, wenn der Vorteil für sie passt und sie mit dem Service eine ausgezeichnete Lösung für ihre Herausforderungen erhalten, aber Hersteller und Einzelhändler müssen auch kulturelle Verschiedenheiten berücksichtigen. Hersteller und Einzelhändler müssen bei der Produktpräsentation die richtige Balance zwischen Produkt, Lösung und Nutzwert finden, um herauszufinden, was Konsumenten bereit sind für den Service zu zahlen. Es muss einen Zusammenhang zwischen den Installationskosten, den Produktkosten und der Lösung geben. Andernfalls wird der Kunde den Nutzen, für den er bezahlen sollen, nicht sehen.
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Auf welches Projekt oder Thema in deiner Laufbahn bist du besonders stolz?
Das ist eine gute, aber schwierige Frage… Da gibt es ein paar, wie etwa die erste modulare Produktpräsentation für Elektrowerkzeuge im DIY-Handel für Bosch bei Obi und Hagebaumarkt. Aber auch der erfolgreiche Microsoft-POS und die Online-Veröffentlichungen von Marken mit unüblichen Produkten wie Windows, Xbox, Surface oder Office, wo man zum Beispiel die Einführung von elektronischen Software-Download-Karten hervorheben kann, die das Diebstahlrisiko für Einzelhändler verringerten und flexible POS-Designs ermöglichten.
Weitere herausragende und nachhaltige Projekte waren die Xbox Gaming Islands oder die Windows PC Shop-in-Shop-Systeme, die wir zusammen bei Media Saturn implementieren konnten sowie weitere Projekte wie PC Heroes at work, die wir online mit Partnern wie MSH, DELL, HP oder Lenovo implementiert haben.
Das Wichtigste bei allen Projekten war immer, dass sie nur durch hervorragende Partnerschaften, puren Willen und ausgezeichnete Teams, (die immer bereit waren, für den Erfolg noch einen Schritt weiter zu gehen und) die kreativ und mutig genug waren, um neue Wege einzuschlagen und um die Ecke zu denken, möglich waren.
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