Ein Interview von
Oliver Menne startete in die Games-Branche Ende der 80er, zur Zeit des Commodore 64. Er war dann lange Jahre Chefredakteur der Zeitschrift PC Games und wechselte anschließend in den Vorstand der Computec Media AG. Seit 2006 betreibt er Eurogamer.de, das mittlerweile monatlich mehr als vier Millionen Spieler im deutschsprachigen Raum erreicht, und ist gelegentlich beratend tätig.
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Du bist ja nun schon einige Zeit in der Games-Branche, hast viele Trends kommen und gehen sehen. Zu den Anfangszeiten und heute: Was hat sich am positivsten verändert in der Branche, und was stört Dich an der heutigen Situation?
Sehr positiv empfinde ich weiterhin, dass durch die Digitalisierung der Vertriebswege eine enorme Freiheit entstanden ist. Es gibt kaum noch Barrieren, nur noch Herausforderungen. Entsprechend hoch ist die Vielfalt der Produkte. Natürlich ist es etwas unübersichtlicher geworden, und das kann man als störend empfinden, aber letztlich ist es sicher ein Zugewinn. Die Balance zu finden, Maßnahmen schnell, aber nicht zu schnell, an neue Möglichkeiten anzupassen, halte ich für eine große Schwierigkeit. Bei der Preisgestaltung bzw. dem schnellen Preisverfall von Spielen, der sich aus dieser Digitalisierung ergeben hat, wurde zum Beispiel aus meiner Sicht immer noch keine gute Antwort gefunden. Die erscheint mir aber notwendig.
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Welche Key Learnings im Bereich Marketing können andere Branchen aus der Games-Branche ziehen?
Das ist schwierig, weil Spiele eine Eigenschaft haben, die kein anderes Produkt herbeiführen kann: Die intensive Verbundenheit der Fans, deren Leidenschaft ihrem Hobby gegenüber. Wo gibt es das sonst? Das liegt zum einen an der Beschäftigungsdauer und das jeder seine eigenen Erlebnisse in einem Spiel haben kann. Zum anderen auch an der Authentizität. In welchem Bereich stellt sich ein Kreativer acht Stunden pro Tag auf einen Event, um sein Produkt zu zeigen und mit Fans zu sprechen? Und dieses Selbstverständnis reduziert sich nicht nur auf Promotion-Veranstaltungen. Aus einem Produkt mehr zu machen als eine Sache, ist sicherlich eine Stärke und etwas, was man versuchen kann zu adaptieren. Allerdings steht die Games-Branche selbst vor der Herausforderung diese Form der Nähe zu verlieren.
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Wer sind Deine Vorbilder in der Branche? Gibt es da jemanden? Und wenn, warum?
Vorbilder habe ich keine. Aber ich finde einzelne Leistungen oft bemerkenswert und versuche diese zu adaptieren – scheitere jedoch viel zu oft.
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Wie haben sich die Marketing-Maßnahmen und -Kanäle in den letzten Jahren gewandelt? Wo geht es hin im Bereich Games-Marketing?
Was neu ist, ist begehrter, bis es nicht mehr neu ist. Und so dreht sich das doch immer weiter. Früher gab es nur Special Interest, das waren die Influencer und sind es im Prinzip heute noch, aber eben in der Wahrnehmung nicht mehr so frisch, weniger aufregend. Daher also in den letzten Jahren Content Creator. Gefühlt geht hier die Begeisterung aber auf ein normales Niveau zurück. Interessant finde ich die Entwicklung, die durch den Mangel an physischen Events im letzten Jahr eingetreten ist: Publisher haben ihre eigenen Kanäle anders genutzt, wie zum Beispiel Ubisofts Forward-Reihe oder auf der PS5-Reveal. Gemessen an den Reichweiten war das sicher richtungsweisend. Jedoch fügt das auch wieder einen Baustein in der Kommunikation hinzu und es werden jedes Jahr mehr Bausteine; manche sinken in der Bedeutung, aber sie verschwinden nie. Dennoch glaube ich, dass die Nutzung eigener Kanäle mit starkem, selbst produzierten Inhalt, in den nächsten Jahren deutlich zunehmen wird.
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Welche Social-Media-Kanäle sind für Euch als Unternehmung im Fokus?
Für unsere redaktionellen Webseiten eigentlich keine. Der Transfer von einer Social Media-Plattform in nennenswerten Web-Traffic ist ungemein schwierig, da gibt es einfach bessere Lösungen. Das heißt nicht, dass redaktionelle Inhalte nicht auf Social Media-Plattformen funktionieren, die Modelle dahinter sind nur geschlossener und die Monetarisierung ist eine ganze andere. Bei der EGX Berlin, einem Gaming-Event, sah es 2018 und 2019 jedoch ganz anders aus. Da war schon eine deutliche Wirksamkeit direkt nachvollziehbar, allem voran über Facebook. Das mag aber auch an der Veranstaltung, die sich nur an Erwachsene gerichtet hat, und der Demografien der Plattformen gelegen haben.
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Stichwort Creator- und Influencer-Marketing: Der Trend zu mehr Micro- und Makro-Influencern mit geringerer Reichweite und weniger Fans, dafür aber mehr Authentizität und Engagement: Wie kann die Games-Branche davon profitieren aus Deiner Sicht?
Micro-Influencer verhalten sich nach meiner Beobachtung im Grunde wie Konsumenten. Sehr viele folgen den gleichen Regeln, d. h. sie eifern, vielleicht auch unbewusst, ihren Vorbildern nach. Vielleicht sogar etwas stärker, denn sie sehnen sich nach kommerziellem Erfolg. Insofern muss man nicht zwingend etwas tun, um von der zusätzlichen Reichweite zu profitieren – daraus ergibt sich ja auch die Authentizität. Das aus meiner Sicht größte gegenwärtige Problem ist vielleicht auch eine Chance: Das Streamen von Inhalten ohne jegliche Restriktionen hat sicherlich dazu geführt, dass das eine oder andere Spiel eher geschaut als gespielt wird; weil es als ausreichend empfunden wird. Natürlich ist es faktisch unmöglich, die Kontrolle zurückzugewinnen, ohne Social Media-Selbstmord zu begehen. Aber eine Bevorzugung von zum Beispiel Micro-Influencern mit speziell zum Streamen freigegebenen Promo-Versionen, vor dem Release und zeitlich begrenzt, könnte ein sinnvoller Weg sein, um Reichweite, respektvollen Umgang mit Micro-Influencern und Reduzierung von reinen Spiele-Zuschauern unter einen Hut zu bekommen. Zumindest ließe sich die Chronologie etwas verändern. Ich glaube, es könnte sich lohnen, die Stichworte Reichweite und Umsatz dichter miteinander zu verknüpfen.
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Die Medienlandschaft hat sich in den letzten zehn Jahren massiv verändert. Immer noch ist aber PR eines der wichtigsten Kommunikations-Instrumente für den Bereich Games. Wo siehst Du die PR in den nächsten fünf Jahren, was werden die Herausforderungen?
Zeit ist die größte Herausforderung. Die bereits entstandene und bereits angesprochene Vielfalt und Masse an Produkten zieht ja Konsequenzen für alle Beteiligten nach sich. Ich glaube daher, dass PR noch wichtiger wird, aber sich auch anpassen muss, um das Warum bei den Dutzenden Meldungen, die jeden Tag geschickt und gelesen werden sollen, eindeutig herauszuarbeiten. Ich halte PR für einen der wichtigsten Bausteine, um ein Produkt auf den richtigen Weg zu bringen, um seinen Inhalt klar zu machen, schließlich wacht auch ein Content Creator nicht eines morgens auf und klappert Webseiten von Entwicklern ab, um zu sehen, was es Neues geben könnte. Weil die Empfänger sich von Konsumenten bis Partner erstrecken, kann PR niemals nur Kür sein, sondern sollte immer eine Pflicht darstellen.
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Bonusfrage: Auf welches Projekt / Thema in Deinem Job warst Du besonders stolz?
Ich habe eine hohe Dankbarkeit und Demut erfolgreichen Umsetzungen gegenüber, Stolz wäre etwas zu viel. Als alter Print-Mensch bin ich aber sehr glücklich, den Weg ins Internet mehr oder weniger erfolgreich genommen bzw. überhaupt die Möglichkeit dazu bekommen zu haben.
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