Ein Interview von
Mein Name ist Thomas Mey. Ich verdiene seit Abschluss meiner Lehre als Elektromonteur meine Brötchen im Handel. Das ist nun gut 30 Jahre her. Als ich im Handel angefangen habe, expandierten alle großen Handelsketten in die neuen Bundesländer. Elektrofachmärkte wie EP Expert, Media Markt oder Computer Discounter wie Vobis und Escom drängten auf den Markt. Aldi schuf mit dem Aldi PC eine Art Non-Brand-Marke und brachte den Computer in alle Haushalte. Zunächst als Verkäufer, dann in diversen Positionen mit Personal- und Budgetverantwortung, war ich mit unterschiedlichsten Aufgaben betraut. Ich wechselte später ins Management und kümmerte mich um die Optimierung und Neueröffnung von Media Märkten in Deutschland. Die permanente Veränderung innerhalb der Produktwelt stellte uns immer wieder vor neue Herausforderungen am POS. Hier sehe ich aber auch meine Stärken und konnte das glücklicher Weise zu meinem Beruf machen: Department Manager Store Design.
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Du bist schon länger im Channel Marketing tätig und hast viele Trends kommen und gehen sehen. Wenn du auf den Anfang deiner Karriere und die Situation heutzutage schaust: Was hat sich am positivsten im Handel getan, was muss in den nächsten Jahren passieren, damit der Handel weiterhin Erfolg hat?
Der Retail-Handel ist aus meiner Sicht kein Selbstzweck. Handel – oder besser gesagt die Art und Weise des Handelns – spiegelt ein Stück unserer Gesellschaft wider. Die technischen Möglichkeiten werden uneingeschränkt genutzt, und zwar von Kunden wie von Händlern.
Der Handel wird ohne Zweifel weiterhin Erfolg haben. Die Struktur wird sich den Bedürfnissen anpassen.
Die Händler müssen sich mehr und mehr als Plattform für die verstehen, die Bedürfnisse haben (Kunden) und die, welche die Bedürfnisse befriedigen (Hersteller). Händler werden also gegenüber der Industrie zum Nachfrager und müssen mehr in die Position des Agierens gebracht werden. Wissen, dass es morgen regnet, reicht nicht. Wissen, dass morgen 1000 Kunden einen Regenschirm brauchen, ist das Kapital des Händlers.
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Lass uns kurz über Brand Ambassadors sprechen: In der Vergangenheit waren Verkäufer im Handel nicht die größten Experten und deshalb haben viele führende Unternehmen sich auf Brand Ambassadors in den Läden verlassen. Jetzt, in den Zeiten von Covid 19 oder auch nach Covid 19, wie sieht die Zukunft von Brand Ambassadors deiner Meinung nach aus?
Boutiquen, Shops, Fachmärkte oder große Einkaufs- und Erlebnistempel werden morgen nachwievor eine hohe Anziehungskraft haben. Die gemeinsame Jagd ist tief in uns verwurzelt. Auch gibt es vielerlei sachliche Gründe die Produkte anschauen, anfassen oder ausprobieren zu wollen. Es ist also richtig und wichtig in Markenbotschafter zu investieren. Es reicht aber nicht nur, einen Pulli drüberzuziehen und den Kunden den Inhalt aller Bedienungsanleitungen runterzubeten. Ich wünsche mir einen qualifizierten Mitarbeiter des Händlers, der auf die Bedürfnisse des Kunden eingeht und Lösungen anbietet; über alle Marken hinweg. Das schafft Vertrauen in die Handelsmarke und macht die Plattform umso attraktiver für die Hersteller.
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Moderne Technologien ermöglichen eine echte Omnichannel-Erfahrung. Zum Beispiel kann man sich per AR die Produkte zuhause anschauen, einen Verkaufsberater per Video-Call erreichen und die Produkte sehr zeitnah aus dem Laden um die Ecke nach Hause geliefert bekommen. Was denkst du über diese Möglichkeiten?
Diese Technologien sind sicher interessant für die Nuller-Generation, die quasi damit aufwächst. So lange es mehr Zeit braucht, zu erklären wie die Technik funktioniert, als es den Zweck zu erfüllen nämlich das Produkt anzuschauen, auszuprobieren und zu kaufen, wird es keine Relevanz haben.
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Wird sich der physische Handel vom reinen „besten Preis“ zur „besten Erfahrung“ wandeln? Werden die Läden sich in Markenerfahrungs-Center verwandeln? Wie siehst du diese Veränderungen, diese Evolution des Handels voraus?
Das ist tatsächlich ein Szenario, was ich für realistisch halte. Die digitalen Möglichkeiten werden in Zukunft recht schnell für eine relative Preisgleichheit sorgen. Die großen Handelsketten schreiben keine Preisschilder mehr. Es wird einfach umgeschaltet. Die Präferenzen werden also bei gleichem Sortiment im Service, den Prozessen und spätestens mit dem Mitarbeiter geschaffen.
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Wie wirken sich deiner Meinung nach Social Media und Social Selling auf den stationären Handel aus?
Positiv. Ein weiterer Kanal. Ein weiterer Motor.
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Denkst du, dass Verkaufsberater per Video eine Lösung zu Zeiten von Covid-19 und danach sein können oder virtuelle Chatbots, bei denen die Konsumenten mit einem Roboter oder einem animierten Charakter sprechen können?
Das ist vorstellbar. Hier gibt es aber noch technisch einiges zu tun. Auch die Prozesse dahinter sind komplex und sind immer abhängig vom individuellen Vorgang.
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Service und Installationen werden wichtiger und wichtiger. So brauchen Verbraucher zum Beispiel beim Kauf eines komplexen Smarthome-Setups nicht nur einen Installationsservice, um einen TV an die Wand zu hängen, sondern einen kompletten Setup-Service, der dafür sorgt, dass die Produkte verbunden, programmiert und 100% funktional sind. Warum bietet niemand diese Services an? Wie ist deine Meinung dazu? Sollte dies der Handel oder die Hersteller anbieten? Würden die Konsumenten dafür extra bezahlen oder sollte es Teil einer exzellenten Serviceerfahrung sein?
Hmm. Das tun wir bereits. Manchmal mehr und manchmal weniger gut.
Im Land der Baumärkte ist es durchaus eine Herausforderung, unseren Kunden einen Mehrwert zu vermitteln, dessen Versprechen wir aber eben leider manchmal nicht einhalten. Ja, unsere Kunden sind bereit dafür zu zahlen. Sie erwarten aber eben auch Handwerker, die sich in sauberer Kleidung, nicht verschwitzt, sach- und fachkundig mit Schuhüberziehern umsichtig in der Wohnung bewegen und jede Frage zum Gerät beantworten können. Wir arbeiten daran.
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Bonusfrage: Auf welches Projekt oder Thema in deiner Laufbahn bist du besonders stolz?
In jedem Media Markt steckt inzwischen etwas von mir drin. 😉
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