Ein Interview von
Thorsten Hamdorf war in diversen Unternehmen der Games- und Filmbranche im Marketing, Vertrieb, Produkt Management und Business Development auch in leitenden Positionen tätig, u.a. für Eidos Interactive, Virgin Interactive, Paramount Home Entertainment, ATARI und dtp entertainment. Dort zeichnete er sowohl für regionale als auch für internationale Vermarktungen verantwortlich. Seit 2014 ist er als Head of Marketing, Market Research und Member Services beim game – Verband der deutschen Games-Branche tätig.
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Du bist ja nun schon einige Zeit in der Games-Branche, hast viele Trends kommen und gehen sehen. Zu den Anfangszeiten und heute: Was hat sich am positivsten verändert in der Branche und was stört Dich an der heutigen Situation?
Was mich wirklich begeistert, ist die Entwicklung der Branche insgesamt. Heute ist die Branche vielfältiger, diverser und inklusiver als früher. Das ist großartig. Und als Medium erreichen wir heute viel mehr Menschen, männlich wie weiblich, jung wie alt, auf so vielen Plattformen und mit so vielen unterschiedlichen Spielangeboten wie nie zuvor. All das trägt zu einer größeren Vielfalt an Spielen bei, die dadurch entstehen, dass viel mehr Menschen ihrer Kreativität freien Lauf lassen und damit Menschen in aller Welt erreichen und bereichern können.
Was mich an der heutigen Situation stört ist das Phänomen, dass einige Menschen durch dieses Wachstum und mit dieser Verbreiterung der Branche anscheinend nicht klarkommen und sich schlecht verhalten. Mit gestiegener Reichweite unseres Mediums und den digitalen Kanälen der heutigen Zeit, steigt leider auch die Wahrscheinlichkeit von Störenfrieden, die in der Community für schlechte Stimmung sorgen und das Medium für ihre Zwecke und Ansichten missbrauchen. Und einige besonders laute Gruppierungen tragen so immer wieder zu einem schlechten Image unserer Branche bei, sorgen dafür, dass sie einen schlechten Ruf hat und stellenweise als toxisch gilt. Das ist ärgerlich für die Wahrnehmung unserer Branche und unseres Mediums, denn das ist eigentlich so wunderbar und die Menschen sind überwiegend so offen, herzlich und leidenschaftlich, wie man es z.B. auch auf der gamescom erleben kann.
Aus Marketingsicht ist es heutzutage natürlich einerseits traumhaft, dass der Großteil der Werbemaßnahmen gemessen und bewertet werden kann. Andererseits haben digitale Distribution und Werbung zu einem massiv verschärften Wettbewerb um Sichtbarkeit geführt.
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Welche Key Learnings im Bereich Marketing können andere Branchen aus der Games-Branche ziehen?
Zwei alte Weisheiten: Wandel ist die einzige Konstante. Und wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit. Die Games-Branche hat sich schon immer rasch an technische Neuerungen angepasst, diese auch selbst vorangetrieben, fand neue Wege und hat Pioniergeist und Kreativität bewiesen. Sie ist daher sehr innovativ, probiert schnell neue Dinge aus und entwickelt sich rasant weiter. So entstanden z.B. neue Vermarktungsmodelle wie free-to-play, die Vorbild für andere Industrien wurden. Auch ist die Branche sehr gut in der Kunden-Akquise und im Community Management, was wiederum für viele traditionelle Dienstleistungsbranchen wie Banken oder Versicherungen sehr attraktiv ist. Und Games sind gut darin, komplexe Informationen leicht verständlich aufzubereiten, z.B. durch Tutorials, angepasste Lernkurven, Progression, Interface Design, usw. All diese Elemente sind Beispiele für Motivationsdesign, das ebenfalls vorbildlich für andere Industrien sein kann (Stichwort Gamification).
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Wie haben sich die Marketing-Maßnahmen und Kanäle in den letzten Jahren gewandelt? Wo geht es hin im Bereich Games-Marketing?
Alles ist neu und doch bleibt alles beim Alten, wird nur neu verpackt und angepasst. Früher gab es TV-Spots mit Testimonials und PR war der Schlüssel zum Erfolg. Heute gibt es Influencer-Kooperationen und Social Media-Kampagnen. Es gibt also immer neue Plattformen zur Verbreitung, immer mehr A/B-Testing und Kennzahlen. Der Kampf um die Augenpaare ist härter geworden. Was aber immer wichtig bleibt: Die kreative Idee. Der Funke muss überspringen. Das Potenzial viral zu gehen, ist heute größer als früher, aber es ist schwieriger zu erreichen. Wir sehen einen Trend zu immer individuellerer Kommunikation, stärkerer Kundenbindung und Upselling.
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Welche Social-Media-Kanäle sind für Euch als Unternehmung im Fokus?
Ich vermarkte ja keine Produkte mehr, sondern bin im Verband tätig. Wir setzen daher auf die Kanäle, mit denen wir die für uns wichtigen Akteure erreichen. Das sind Facebook, Twitter, LinkedIn und Instagram sowie Slack als geschlossene Gruppe.
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Stichwort Creator- und Influencer-Marketing: Der Trend zu mehr Micro- und Makro-Influencern mit geringerer Reichweite und weniger Fans, dafür aber mehr Authentizität und Engagement: Wie kann die Games-Branche davon profitieren aus Deiner Sicht?
Mit den passenden Themen können Games hier hervorragende Ergebnisse erzielen. Viele kleinere Influencer zusammen ergeben auch große Reichweiten und sind teils günstiger, sowie kooperativer, da sie noch wachsen möchten. Und mit kleineren Influencern kann man teils auch spitzere Zielgruppen genauer ansprechen. Letztlich ist alles eine Frage des Fits.
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Die Medienlandschaft hat sich in den letzten zehn Jahren massiv verändert. Immer noch ist aber PR eines der wichtigsten Kommunikations-Instrumente für den Bereich Games. Wo siehst Du die PR in den nächsten fünf Jahren, was werden die Herausforderungen?
Die Herausforderung werden weiterhin Sichtbarkeit, Glaubwürdigkeit und Authentizität sein. Alle Medien, egal ob journalistische Formate oder Influencer, müssen sich finanzieren und benötigen daher Reichweite. Und diese Reichweite erfordert zugkräftige Themen. Hier ist es immer wieder eine Herausforderung den richtigen Mix zu finden zwischen Top-Titeln, Perlen, Nischen und eigener Personality. PR steht somit auch zukünftig vor der Aufgabe aus der Masse herauszustechen, Multiplikatoren zu identifizieren und Reichweite zu generieren, um die eigenen Botschaften zu verbreiten.
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Auf welches Projekt / Thema in Deinem Job warst Du besonders stolz?
Puh, da hatte jede Station ihre eigenen Herausforderungen und Erfolge. Es war mir eine Ehre an so tollen Produkten wie „Deus Ex“ mitzuwirken, mit „Drakensang“ Verkaufserfolge feiern zu dürfen oder mir am Herzen liegende Klassiker wie „Spiel mir das Lied vom Tod“ oder „Star Trek“ mit innovativen Kampagnen begleitet zu haben. In meiner aktuellen Position bin ich stolz, maßgeblich dazu beigetragen zu haben, dass wir heute einen einzigen, starken und schlagfertigen Verband haben mit so vielen Mitgliedern wie noch nie. Dazu konnte ich mit Strategie, Marktdaten und Vertriebserfolgen beitragen, da unser gesamtes Team hier professionell und mit Leidenschaft für die Branche und das Medium Games arbeitet.
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